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Spielt zwei Stunden den stummen Sulla: Hanns Zischler in Klaus Wybornys gleichnamigen Film

Sulla, Symmetrie, Sex

Der Filmemacher und Autor Klaus Wyborny heute im Literaturhaus / Retrospektive im Filmmuseum

"Ich schreibe über Phänomene, die über Bilder nicht zu beschreiben sind", sagt Klaus Wyborny. Ein erstaunlicher Satz. Denn Wyborny, Jahrgang 1945, dem in Amerika, wo er Physik studierte, die deutsche Sprache plötzlich als "tot" erschien, hat sich daraufhin den Bildern mit besonderer Konsequenz gewidmet. Vor bald 40 Jahren begann seine Laufbahn als experimenteller Filmautor, der oft auf jegliche Worte verzichtete. Er versuchte, die Möglichkeiten des Films mit jedem Werk neu auszuloten: die immerwährende Avantgarde. Er machte bei Festivals Furore, seine Werke sind in zahlreichen Sammlungen großer Häuser vertreten. Einige davon sind nun in einer Retrospektive zu seinem 60. Geburtstag im Deutschen Filmmuseum Frankfurt zu sehen. Zuvor aber kann das Publikum heute abend im Literaturhaus einen anderen Wyborny kennenlernen.

Immer mehr erkenne er die Beschränktheit der Bilder, sagt Wyborny, der die Magie eines Antonioni, Godard oder Herzog vermißt. An die Stelle der Bilder ist als Mittel der Beschreibung das Wort getreten, aus dem Bildermensch Wyborny ist ein Schriftsteller geworden: Er spinnt aus seinem visuellen Werk und seinen literarischen Arbeiten seit nunmehr 15 Jahren ein dichtes Netz von Querverweisen. Die Bekanntschaft, mittlerweile Freundschaft mit Durs Grünbein beflügelt seit einiger Zeit nicht nur seine literarische Produktion: Dei beiden planen eine Verfilmung von Grünbeins Gedichten duch Wyborny, drei (kurze) Filme sind bereits fertiggestellt. Nebenbei, sagt Wyborny, wolle er dieses und andere Filmprojekte verfolgen. Die Hauptarbeit aber bleibt das Schreiben. Wobei er einige seiner Filme in Bezug zu den Texten setzt, die derzeit noch nicht gedruckt, aber digital zu lesen sind.

Ein riesiger Romanzyklus entsteht, dessen Name Programm ist: "Comédie Artistique" hat Wyborny ihn genannt - "eine Fiktion in vorerst zwölf Büchern" vom Niedergang des Künstlertums. Wenn bei Dantes "Göttlicher Komödie" Gott ins Wanken geriet und Balzacs "Comédie humaine" die Schattenseiten des bürgerlichen Menschen zeigt, widmet sich Wyborny dem Künstler in allen seinen Ausprägungen, zum Teil auch autobiographisch. Künstlern, die um die Brüchigkeit ihres Ideals wissen und es deshalb erst recht pflegen. Maler, Bildhauer tauchen auf, aber auch eine Hausfrau, die sich als Künstlerin versteht. Und "das vielleicht gefährlichste Künstlertier, der Politiker". Vielleicht, so Wyborny, sei das der einzige Weg, Kunst zu erhalten: in gleich welchem Beruf Künstlerschaft zu entwickeln.

In "Sulla" hat Wyborny dem zum Diktator gewordenen Feldherrn ein Denkmal ganz eigener Art gesetzt: als Roman, aber auch als Film. Beides wird er heute abend präsentieren. Hanns Zischler spielt in "Sulla" die stumme Rolle des römischen Feldherrn Sulla, dessen Leben Wyborny akribisch erforscht hat. Der Text ist der Anfang seines Romans, gesprochen von Wyborny selbst. Nach dem Sieg über Mithridates verbringt Sulla einen Tag in der heiligen Wildnis, getrieben von dem Verlangen nach Sex mit einer gewissen Mathilde, im Dösen seinen zwischen Schlichtheit und Genialiät schwankenden Gedanken ausgeliefert, die sich mit Problemen der Symmetrie ebenso befassen wie mit Politik und Religion. "Mir gefällt das: Komik und Künstlerschaft", sagt Wyborny. Und das merkt man dem Film an: ein Tanz auf hochgespannten Seil zwischen Witz und Philosophie.

EVA-MARIA MAGEL (in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.Mai 2005)


Klaus Wyborny liest heute um 20 Uhr im Literaturhaus Frankfurt aus "Sulla" und zeigt Filmausschnitte. Der ganze Film wird am 5. Mai um 20.30 Uhr in Anwesenheit Wybornys gezeigt. Wiederhoolung am 11. Mai um 18 Uhr. Die Retrospektive beginnt am 19. Mai. Informationen zus einem Werk im Internet unter www.typee.de