K. Wyborny

SULLA

I.

BEI DEN PINIEN (L'APRÈS-MIDI)

- 1 -

 

Sulla wartete bei der Piniengruppe. Es war heiß - erst abends würde man aus dem Schatten wollen. Es lagen eine Menge Pferdeäpfel herum. Mit einem Stock versuchte er, ein paar davon aus dem kritischen Bereich zu stoßen. Niemand würde sich in Pferdeäpfel setzen wollen.

 

Sulla stieß acht Pferdeäpfel aus dem eigentlichen Bereich. Er wußte nicht, wo genau dieser aufhörte, aber Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß sich das Leben auf Eigentlichkeit konzentrierte. Natürlich würden ein paar Pferdeäpfel letztlich kein Hindernis sein - selbst Friedensverträge waren in Scheiße geschlossen worden.

 

An sich war der Ort bereit. Die Pferdeäpfel würden vielleicht einem Wartenden auffallen, nicht jedoch einem Erregten; und auf Erregtheit, klar, kam es an. Nur im Äußersten sollte sich etwas im Liegen abspielen. Da er beim Warten indes liegen wollte, mußte er zu Beginn der Erregung dafür sorgen, daß das Weitere stehend oder im Knien ablief. Vielleicht noch im Sitzen. Dazu schien ausreichend Gelegenheit zu sein, auch zum Knien, und Stehen kann man ja überall. An der Pinie direkt neben dem Feldbett ging es freilich besonders gut. Dort konnte man sich anlehnen, den Kopf leicht drehen und in die Ebene blicken. Und dann könnte man ein Bein auf einen Stein stellen, so daß sich der Körper ganz natürlich öffnete. Sulla lehnte den Stock an den Baum. Es war kein besonderer Stock, er hatte hier herumgelegen und war vielleicht gut gegen Hunde. Dann suchte er einen Stein, um ein Bein draufzustellen. Die herumliegenden Kalksteine waren zu klein. Er las ein paar zusammen und bildete daraus eine Steingruppe, auf die man etwas stellen könnte.

 

Obschon sich das Wichtigste im Stehen abspielen sollte, konnte er natürlich bereits im Liegen überrascht werden. Dann wäre eher unwahrscheinlich, daß sich die fragliche Person an den Baum lehnen würde; eher würde sie sich neben ihn setzen - was nicht ging, wenn das Bett zu dicht am Baum stand. Er gruppierte die Steingruppe so um, daß man auf ihr auch sitzen konnte und schob das Feldbett zur Seite, um sich zur Probe auf die Steine zu setzen. Leider tat das irgendwie weh. Muß ja nicht unbedingt bequem sein, dachte er, doch es durfte natürlich nicht schmerzen. Wenn hier jemand säße, während er selbst noch lag, müßte er irgendwie ins Stehen kommen, zumindest aber ins Sitzen oder Knien. Und sollte ihm dann das Sitzen des anderen nicht gefallen, und er ahnte schon, daß es so kommen würde, müßte er sein Gegenüber gleichfalls zum Stehen oder Knien bringen. Er hatte keine Ahnung, wie das zu bewerkstelligen war - zumal niemand Lust haben würde, auf so unbequemen Steinen Platz zu nehmen.

 

Auch an einer anderen Stelle, an der man recht gut stehen könnte, fielen Sulla Pferdeäpfel auf - sie störten. Mißmutig trat er ein paar zur Seite. Hier war ebenfalls möglich, sich an eine Pinie zu lehnen. Man konnte den Kopf dabei auch in den Nacken legen. Oder ein Bein gegen die daneben stehende Pinie stemmen und sich beim Betrachten der Ebene in den Hüften wiegen. Aus dem trockenen Nadelboden trat an manchen Stellen spitzer Kalkstein hervor, zwischen denen Pinienzapfen und jede Menge Pferdeäpfel lagen. Auf solchem Boden würde sich nichts abspielen - das wäre widerlich. Die Vollständigkeit seines Denkens verblüffte Sulla - aber nur so konnte man als Politiker was werden.

 

Zurück bei der ersten Pinie schob er seine Steingruppe, weil ihm das Lehnen an den Baum gerade ein Gefühl von Selbstgewißheit vermittelt hatte, direkt an den Baumstamm heran. Einladend sah sie auch danach nicht aus, und als er sich draufsetzte, war es nicht weniger unbequem - nur wer sich vorsätzlich neben ihn setzen wollte, würde hier Platz nehmen. Nun, er würde das Ganze ohnehin auf Sicht fahren müssen. An der anderen Baumseite entdeckte er die Möglichkeit einer zusätzlichen Option: dort lagen gleichfalls Steine herum, die er nun so anordnete, daß man auch auf ihnen stehen könnte.

 

Es war sogar möglich, sich auf beide Steingruppen zu stellen und den Rücken an den Baum zu lehnen. Dadurch wurde man zu einer Art Statue, die ihren Kopf zur Ebene zu drehen vermochte. Diese Vorstellung bereitete Sulla Vergnügen: Ja, jemand könnte wie eine Brücke mit gespreizten Beinen auf beiden Steingruppen stehen und mit verdrehtem Kopf die Ebene betrachten, während er vom Feldbett aus in den Himmel blickte - ‘der blau das satte Grün der Pinien begrenzte’, fügte er in einem plötzlichen lyrischen Bedürfnis den Moment verlängernd hinzu, als hoffte er, so der analytischen Nüchternheit zu entkommen, in die er sein Denken - eigentlich gegen ein inneres Bedürfnis - gedrängt hatte. Na, gar nicht mal schlecht, dachte Sulla auf einmal zufrieden: Irgendwas könnte schon werden.

 

Als er sich probehalber auf beide Steingruppen stellte, fand er auch das unbequem. Zudem hatte das Denkmalartige dieser Stellung etwas zu Spektakuläres. Das und solche Unbequemlichkeit waren mit seiner Vorstellung von Ekstase nicht vereinbar. Niedergeschlagen setzte er sich auf die Steine, auf denen er schon einmal gesessen hatte. Obwohl es immer noch nicht bequem war, schmerzte es erstaunlicherweise nicht mehr. Wenn er die andere Steingruppe dichter an den Baum schöbe, überlegte er, könnte man auch auf ihr angelehnt sitzen.

 

Wie er es getan hatte, fühlte es sich gar nicht mal schlecht an, bequemer sogar als auf der ersten Steingruppe - also tatsächlich eine weitere Option. Zwei Sitzgelegenheiten verdoppeln das Ausmaß möglicher Versuchung, dachte er. Das Stehen auf beiden Steingruppen würde er freilich nur als unterhaltsame Demonstration nutzen können, ebenso wie das Lehnen in der anderen Baumgruppe, besonders wenn man dabei ein Bein gegen eine Pinie stemmte und sich in den Hüften wiegte. Das Spektakuläre hat etwas Gefühlloses, was sich nicht mit der Idee wirklicher Ekstase verträgt - nur für Demonstrationszwecke nutzen! machte Sulla sich eine gedankliche Notiz.

 

Knien konnte man überall. Selbst wenn der spitze Kalkstein drückte, würde sich das in der Erregung schon zurechtrücken. Es gab also das Sitzen auf den Steingruppen, das Knien und das angelehnt Herumstehen, resümierte Sulla. Und man konnte sich auf eine der Steingruppen stellen oder auf beide. Natürlich könnte auch er selbst so auf Steinen stehen und sich dabei dem anderen zuwenden - das war allerdings eine seine Vorstellungskraft ziemlich verwirrende Option.

 

Um sie besser zu verstehen, stellte sich auf die linke Steingruppe - nun war er eine Statue. Stünde jetzt jemand auf der anderen, wären sie zwei solcher Statuen. Und wenn sie sich dann einander zuwandten, würden sie zu einer Statuengruppe - zwei, die zu einem werden: eine erstaunlich vielversprechende Möglichkeit. Würde er zum Beispiel sein rechtes Bein auf den Boden stellen und sein an den Baum gelehntes Gegenüber das linke, entstünde eine Art Punktsymmetrie, in der sich die Körper einander öffneten. Ja, punktsymmetrisch um den gewissen Punkt, lächelte Sulla, begriff dann aber, daß es sich eher um Spiegelsymmetrie handelte, doch das war ihm jetzt egal, solche Stellung schien maximale Ekstase nämlich nicht auszuschließen. Götter - wir wären Götter! dachte er in jäh aufwallender Lebensgier, doch dann merkte er, daß sie nur Halbgötter wären, sie hätten ja beide ein Bein auf der Erde. Ein Gott war man nur, wenn man mit beiden Beinen auf Steinen stand - doch dann wären sie bloß zwei Statuen und nicht zwei, die zu einem werden. Das Unterscheiden von Punkt- und Spiegelsymmetrie war nicht einfach und hatte seine Vorstellungskraft ziemlich angestrengt.

 

Ah - der Duft der Pinien tat wohl. Mein Gott, dachte er, eine ganze Welt kann in einem Geruch enthalten sein. Jedenfalls ließ sich hier ein Zustand von Erleben verwirklichen. Man brauchte ihn nicht einmal zu erreichen, schon seine Möglichkeit, die Existenz seiner Möglichkeit, hatte etwas Beruhigendes. Im übrigen, wußte Sulla, würde das Leben sich ganz von allein Gelegenheit bereiten. Was tat er hier überhaupt? Dieses Sichvorstellen von - was eigentlich? - war so gegen seine Natur, daß er sich wundern mußte. Er haßte Anwendungen von Geometrie, komplizierte Symmetrien waren ihm ein Greuel. Versuchte er hier etwas herzustellen, in dem sich etwas Eigentliches aufhalten konnte? Woraus bestand solche Eigentlichkeit? Aus Gefühlen? Aus Leidenschaft? Er wußte es nicht, dabei schien ausgemacht, daß er liegen und die andere Person auf der ersten Steingruppe sitzen würde. Er zwang sich, von der anderen Person als nur der anderen Person zu denken, um sich sein Gefühl für das Wesentliche zu erhalten. Das Wesentliche? Ja, wenn jene Person auf der einen Steingruppe säße, könnte er selbst sich irgendwann auf die andere setzen! Wie so ein Übergang genau aussehen sollte, vermochte Sulla sich allerdings nicht vorzustellen. Höchstens ging es in Form von Behauptung. Er könnte sagen "Ich will einmal sehen, wie es ist, wenn ich auf den anderen Steinen sitze" und es daraufhin tun. Merkwürdig, dachte Sulla: eine Behauptung als Ingangsetzer eines Übergangs. Aber so etwas gab es auch in der Politik. Tatsächlich spielte sich vieles in der Politik nach genau diesem Muster ab.

 

Er sagte den Satz vor sich hin und versuchte, sich ganz ungezwungen auf die zweite Steingruppe zu setzen. Gar nicht mal schlecht, diese Art Übergang, dachte er. Etwas stach ihn im Rücken. Mit Hilfe des Stocks schlug er ein Stück Rinde vom Baum - es ging ganz leicht.

 

Als er danach an dem Baum lehnte, war es besser. Weil das Feldbett störte, schob er es weiter zur Seite; jetzt fühlte er sich beim Sitzen weniger beengt, es war - geradezu gemütlich! So ein Gefühl von Gemütlichkeit wollte er eigentlich nicht erzeugen, aber er wußte, daß er bei so horchenden Sinnen sein Befinden auf verstiegene Weise übertrieben empfand. Es war wahrscheinlich ungemütlich genug. Ein Ort, dachte Sulla plötzlich fanatisch, ein Ort - ein Königreich für einen richtigen Ort! Ja, dies war ein Ort, und er würde ein Königreich daraus machen.

 

So an den Baum gelehnt fand er diese Steingruppe jetzt sehr bequem, von ihr schien eine sinngebende Kraft auszugehen, die sich ihm beim Sitzen vermittelte.

 

Die andere Steingruppe wirkte auf ihn dagegen nun wie ein plumper, bloß durch seinen Bezug zum Feldbett existierender Köder. Als er sich draufsetzte, kam aber auch sie ihm nicht mehr so unbequem vor - das war erstaunlich, an den Steinen hatte sich schließlich nichts verändert. Und dann verstand er, was geschehen war: Er selbst hatte sich verändert! Jetzt konnte er sein rechtes Bein beim Sitzen sogar an den Baum lehnen und ganz entspannt zur anderen Baumgruppe blicken oder durch die dahinter liegenden Büsche weit in die Ferne! Und wenn er so in die Ferne blickte, hatte die bloße Präsenz des Feldbetts neben ihm etwas unerwartet Beruhigendes, vielleicht weil es zwanglos den Raum seines Blickfeldes schloß. Rechts lag die andere Steingruppe, die nach seinem Blick in die Ferne eine ansprechend leere Würde auszustrahlen schien.

 

Die Eine und die Andere, überlegte er. Als er gerade auf diesen Steinen gesessen hatte, waren ihm komischerweise die jetzt von ihm benutzten als ‘andere’ vorgekommen. Niemand sitzt gern auf was andrem, schloß er witzelnd diesen Gedankengang. Wenn allerdings eine ihm fremde Person hier sitzen sollte, müßte man ihr Gelegenheit geben, sich zu entfalten, vielleicht indem man ihr einen zweiten Blick anbot, nicht nur den in die Ferne; oder ein Geschenk, vielleicht ein Buch; oder - und das wär natürlich das beste - eine sich ihr offenbarende Gestalt, in die sie sich nur hinein zu bewegen brauchte, um sie durch ihre Gegenwart zu vollenden. Er versuchte, sich eine derartige Gestalt vorzustellen. In seinem abstrakten Vorstellungen sonst eher abgeneigten Kopf bildete sich tatsächlich die Skizze zu einer stabilen Konstellation. Es ging gerade noch ohne Schmerzen. Die Glieder wären allerdings so ineinander verbogen, daß sich die ihm bekannten Möglichkeiten der Ekstase beinahe ausschließen ließen. Doch wer kannte schon so genau die Grenzen in der Ekstase! Erst einmal wollte er jedenfalls schlafen.

 

Doch als er so dalag - auf dem Feldbett, er schwor es sich, durfte sich nichts Entscheidendes abspielen - drückte sich ihm das Singen des Winds in den Pinien so hartnäckig in die Ohren, daß er nicht einzuschlafen vermochte. Bestimmt übertreibt das Horchen meiner Sinne noch immer mein Befinden, meinte er und entschloß sich, einen Kontrollgang zu machen. Er nahm seinen Stock und dazu einen Stein - die Karikatur eines Wanderstocks, dachte er, mit ihm würde er niemanden beeindrucken. Weil er sich am einen Ende gabelte, fühlte es sich besser an in der Hand, wenn er ihn umdrehte. Und so ein Stein war nicht schlecht gegen den Hund, den er gestern hier herumstreunen gesehen hatte. Ja, so einen Hund würde er damit hinhalten können, wirkliche Feinde natürlich nicht.

Die Wasserstelle, neben der sich seine Sachen befanden, machte einen friedlichen Eindruck. Man hatte sie für ihn geräumt - er hatte allein sein wollen, nun war er allein. Hoffentlich konnte die rechte Person daraus das Richtige schließen. Am Rand des Wassers spielten Spatzen - die Vögel der Aphrodite, erinnerte er etwas aus Griechenland. Eigentlich dürfte niemand auf die Idee kommen, ihn hier umzubringen.

 

Wer nicht kommt ist selbst Schuld, stellte er, wieder unter den Pinien, den objektiven Sachverhalt endlich klar, er wenigstens hatte genug Gelegenheit gegeben. Zufrieden stellte er den Stock an den Baum - jetzt war er tatsächlich zu einem Wanderstock geworden, denn er war ja mit ihm gewandert. Sein Kontrollgang hatte ihn beruhigt, nun würde er einschlafen können.

 

Es wär natürlich eine nette Überraschung, wenn die erwartete Person in genau dem Moment, wo er aufwachte, neben ihm säße. Der Gedanke daran ließ ihn sich spannen. Jeden Moment, das fühlte er, konnte es nun passieren. Ein Pferd wieherte - kam sie etwa auf einem Pferd? Er würde jedenfalls nicht zur Wasserstelle hinübergehen! Nicht jetzt! Denn sie war es, die ihn finden mußte - allein! Oder zumindest fast allein - dies war der Ort! Aufgeregt - ich bin zu aufgeregt! dachte er zitternd. Nein, nicht jetzt, erst in einer Stunde, wenn diese aufregende Erregung abgeklungen ist und er nicht mehr damit rechnete, dann müßte sie kommen!

 

Sollte er inzwischen Bücher neben die Steingruppen legen? Dann gäbe es einen besseren Grund, sich dort hinzusetzen, dann wäre das erste Annähern nicht so direkt. Ach, das vorausschauende Denken ist schon ein Wunder, stellte Sulla fest, ein Wunder der Natur, und nahm einen Schluck Wasser. Ja, am Baum lehnende Buchrollen würden den Wunsch, sich da niederzulassen, bestimmt unterstützen. Und wenn man erst mal saß, könnte man sich zum Beispiel wegdrehen, die Buchtitel studieren und irgendeine Bemerkung machen, das wär doch was! Ein Wunder! Jetzt aber wollte er erst einmal den Kopf auf so ein Buch und sich auf den Rücken legen und schlafen.

 

Es kam ihm eindeutig nicht richtig vor, hier nackt oder in irgendwie zweideutigen Posen herumzuliegen. Dennoch öffnete er - aus Langeweile? - sein Gewand und griff sich an den Schwanz. Es durfte ruhig offen bleiben - das kann einem Mann, der sich unbeobachtet und allein in der Wildnis wähnt, ja nun wirklich niemand verübeln. Aber zu sichtbar durfte so etwas nicht sein - ‘kaum sichtbar’ wäre der Ausdruck, der das Maß des Erträglichen genau beschrieb. Doch selbst wenn sich eine neben ihm sitzende Person ganz konzentriert den Büchern zuwenden sollte, gäbe es zwischen ihr und dem kaum sichtbar geöffneten Gewand eine merkwürdige Kraft.

 

Eine merkwürdige, kaum sichtbare Kraft! lachte Sulla und entdeckte, daß er, wenn er sich an den Schwanz faßte, auch ein Bein an den Baum lehnen und es dabei hochstrecken konnte: eine neue Konstellation! Wenn er, die linke Hand am Schwanz, auf dem Feldbett lag und das rechte Bein am Baum emporstreckte, könnte die andere Person ganz ungezwungen und natürlich am Baum stehen; oder wie ein Halbgott mit einem Bein auf einer Steingruppe; und dann ständen die Beine - oder eben nur das eine Bein - dieser Person neben ihm, und er könnte sie - oder es - befühlen und sich daran hochhangeln, während der oder die andere sein hochstehendes Bein befühlte.

 

Eine Frau, dachte Sulla, so etwas verlangt eine Frau - er mußte seine verlogene Abstraktion jetzt aufgeben. Er könnte sich ja unter ihrem Gewand zu den Schenkeln vorarbeiten, während sie ihrerseits seine Unterschenkel befühlte, und dann würde er - je nach Lage der Leidenschaft - mit einem Mal den Arm emporstrecken oder sie sich zu ihm hinunterbeugen. Das wäre doch eine Extra-Konstellation! Aber auch die, befürchtete er sogleich, hatte nur Demonstrationscharakter.

 

Nein, niemand würde sich an den Baum lehnen, während er im Liegen ein Bein dagegen stemmte und sich dabei den Schwanz hielt. Diese Vorstellung war absurd. So etwas würde sich wieder nur durch Behauptung ereignen, und eine Behauptung ist nun einmal keine Ekstase.

 

Die Sonne war weiter gewandert und stach ihm jetzt durch die Pinien direkt ins Gesicht. Wenn er im Schatten bleiben wollte, müßte er das Feldbett verschieben. Nachdem er es getan hatte, lag sein Kopf direkt neben der ersten Steingruppe. Besaß die andere eigentlich noch ihre leere Würde? Er war sich nicht sicher. War der stille Glanz, den sie eben noch für ihn ausgestrahlt hatte, etwa verschwunden? Wie er sie so betrachtete, schien sie sich erneut zu verändern und ihre leere Würde langsam wiederzugewinnen.

 

Die Lage der Steingruppen in Bezug auf das Feldbett kam ihm nach dessen Verschieben gefälliger vor. Von nun an würde er die zweite Steingruppe immer ‘die mit der leeren Würde’ nennen. Ja, jetzt war es besser: Von hier aus konnte er sich ganz unverfänglich aufrichten und in eine Knie- oder Sitzposition überwechseln. Viel-viel-besser, dachte Sulla, doch nun, das wurde allmählich klar, begann das lange Warten. Ich will dich fühlen, dachte er plötzlich, ich will dich fühlen, bevor ich dich . . .