SULLA

 

Entwurf für einen Spielfilm

c 1991 K.Wyborny


INHALT:

 

I. ALLGEMEINES

II. PROJEKTBESCHREIBUNG

1. SULLA UND DAS ÄUSSERE
2. GESCHICHTLICHE VERANKERUNG
3. DAS INNERE UND MATHILDE
4. VORGESTELLTE VERGANGENHEIT: DEMETRIUS UND MARSYAS
5. DER HISTORISCHE SULLA
6. ARCHITEKTUR
7. PLATON UND PARMENIDES
8. NATUR UND SYMMETRIE
9. DIE WELT HEUTE

III. VORGEHENSWEISE


 

I. ALLGEMEINES

 

Grundlage des Films soll der beiliegende Text sein (auf der CD-Version sind davon die ersten 8 Seiten enthalten, sie sind auch über die Comédie Artistique Homepage zugänglich). Er dauert zügig gelesen gut siebzig Minuten und soll möglichst vollständig verfilmt werden.

 

Dadurch bekommt der Film eine vordergründige Ähnlichkeit mit dem, was mit gutem Grund als Literaturverfilmung beschimpft wird. Da ich den Text nun aber selbst geschrieben habe, kann ich bei der Verfilmung die gleiche Logik oder auch Willkür ansetzen, die mich auch beim Schreiben angetrieben hat. Dadurch entfällt diese merkwürdige Höflichkeit und Servilität, die Literaturverfilmungen so unappetitlich, konventionell und unindividuell macht. Ebensowenig brauche ich plump zu provozieren (wie etwa Zadek, wenn er Shakespeare eine neue Seite abgewinnen mußte), denn der Stoff ist schließlich neu und ich denke provozierend genug. Und schließlich kann ich den Text beliebig ändern, kürzen oder dem Bild sonstwie anmessen, so daß tatsächlich die Art von Einheit zwischen Bild und Text entsteht, die einer echten und doppelten Autorenschaft entspricht. Da der Text außerdem schon in etwa die richtige Länge hat und nicht erst brutal (wie zum Beispiel Tolstois "Krieg und Frieden") auf die konventionelle Kinolänge zurechtgestutzt werden muß, wird außerdem das entscheidende Handicap der gängigen Literaturverfilmungen vermieden: das Problem der Länge. So sind in der Anlage des Projektes eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen, um eine Form von Film anzusteuern, von der ich glaube, daß sie in der Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen kann: eine Art Hybrid zwischen Text und Film, der die Stärken beider vereint und sowohl im Kino (wie ein normaler Film) als auch zu Hause (eher wie ein Buch) wahrgenommen werden kann. Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn bei einer ruhigen Entwicklung der Gesellschaften eine solche Filmform nicht einen Platz finden sollte. Greenaway's "Prospero's Books" deutet ja schon in diese Richtung.

 

Mein letzter Film DAS OFFENE UNIVERSUM enthält längere Passagen, in denen Bilder synchron zu Klaviermusik geschnitten werden und mit hohem Tempo gewissermaßen aus der Musik und den Tönen hervorsprudeln, andererseits aber gibt es auch konventionell erzählte Teile, deren Tempo eher behäbig ist. In ihnen habe ich versucht, mit Zwischenschnitten assoziativ in das Geschehen einzugreifen. Das Resultat gab mir so viel Schnittpraxis und ästhetisches Selbstvertrauen, daß ich mir zutraue, die dabei entstandenen Verfahren und Ideen in eine neue Größenordnung zu übersetzen und zur Basis eines ganzen Films zu machen. In "Sulla" soll dieser Ansatz erweitert werden und sich in Richtung auf eine assoziativ musikalische Struktur hinentwickeln. Ich stelle mir dabei vor, daß der Text relativ undramatisch und monoton vorgetragen wird und daß die Bilder dabei gewissermaßen aus den Sätzen hervorsprudeln wie in dem anderen Film aus der Musik.

 

Dies ist in etwa die ästhetische Zielsetzung. An ihr ist ablesbar, daß ich mir den Film nicht so sehr als eine Literaturverfilmung vorstelle, sondern als musikalisch-filmisches Ereignis - ausgesprochen filmisch sogar, weil mir ganz klar ist, daß es um eine zügige zeitliche Organisation von zusammenhängenden Bildern in der Zeit geht.

 

Es fällt mir schwerer zu erklären, warum dies ausgerechnet mit diesem Text gemacht werden soll. Es geht zurück auf ein Projekt, das ich vor mir immer als "Staatsoper" bezeichnet habe, ein Film, in dem Politiker singen, während dazu Bilder "wie Musik" ihr Singen untermalen. Insbesondere interessierte mich dabei die Gegensätzlichkeit von politischem Pathos und Wirklichkeit, aber auch die eigentümliche Diskrepanz von öffentlichem Auftritt und dem, was man als das immervorhandene Drängen des Unterleibs bezeichnen könnte. Der Unterleib ist im politischen Diskurs ja fast vollkommen abwesend - tritt er einmal hervor, wird er von den politischen Gegnern sofort in demagogisches Kapital verwandelt (dazu bot das erstaunliche Hearing zur Amtsfähigkeit des amerikanischen Richters Thomas vor kurzem interessantes Anschauungsmaterial). Dieses Staatsopernprojekt verwandelte sich allmählich in eine Art Kammerspiel: in die Beobachtung eines Politikers in einem Moment, in dem er sich unbeobachtet wähnt und er seinen Unterleib nicht kontrollieren kann oder will. Ich hoffe, jedenfalls dieses Kammerspiel in und gegen die Natur wird spielerisch, lebendig und widersprüchlich genug, daß es nicht an seinem Schematismus zerbricht.

 

Anders als bei der ästhetischen Zielsetzung möchte ich nicht behaupten, daß eine derart überzogene obszöne und groteske Zuspitzung dieser Problemstellung gerade aktuell ist und jetzt und genau in dieser Form gemacht werden MUSS. Andererseits wird es sicher noch einige Jahrzehnte dauern, bis die Gesellschaften das männliche Drängen in einer für alle Parteien befriedigenden Form unter Kontrolle bekommen werden. Bis dahin jedenfalls wird eine überzogene und humorvolle Darstellung der Phänomenologie dieses "Problems" in der Tradition des obszönen Werks von Bataille oder auch von Artauds "Heliogabal" Interesse finden. Im übrigen finde ich, daß man so etwas machen DÜRFEN MUSS, schon um diese Sachen aus dem verbalen Käfig zu befreien, in den unsere Gesinnungen sie einzusperren neigen. Denn dieses Einsperren und Unter-den-Tisch-Drücken wird einen wirklichen und stabilen Ausgleich zwischen den Geschlechtsinteressen nur erschweren - auch wenn dies einer naiv menschenfreundlichen, liberalen Gesinnung vielleicht nicht unbedingt gefällt und man im Augenblick fast instinktiv jede klare Darstellung des männlichen Verlangens mit Unbehagen wahrnimmt.

 

Natürlich kann man niemanden von der Qualität eines Textes überzeugen oder von der Wichtigkeit einer bestimmten Inhaltlichkeit oder auch nur der Wesentlichkeit einer ästhetischen Zielsetzung. Der Text muß aus sich heraus sprechen und ebenso der fertige Film. Es ist klar, daß bei einem solchen Projekt die wirkliche Qualität des Films erst am Schneidetisch bestimmt wird, dennoch aber denke ich, daß sich über gewisse Grundprinzipien auch vorher schon etwas sagen läßt. Ein rationales Vorgehen beim Drehen wird die Arbeit am Schneidetisch wesentlich erleichtern und auch erlauben, zu erkennen, inwieweit eine Umsetzung dieses Textes überhaupt eine Chance haben wird. Ich möchte im Folgenden einige dieser Prinzipien darlegen.


II. PROJEKTBESCHREIBUNG

 

Bei der Verfilmung möchte ich in Schichten vorgehen. Als erstes möchte ich den physischen Verlauf der Erzählung nachbilden, all das also, was in der Erzählung als tatsächliche Wirklichkeit beschrieben wird. Darüber soll eine Schicht liegen, die ich als aus Sullas Erinnerungen und Vorstellungen bestehend bezeichnen möchte, und darüber wiederum eine weitere, die man den aktuellen Zusammenhang nennen könnte. Jede dieser Schichten hat ihre Eigenheiten mit Konsequenzen für Kostümierung und Darstellung, die auf den folgenden Seiten beschrieben werden sollen.


 

1. SULLA UND DAS ÄUSSERE

 

Das ist zunächst einmal Sulla selbst, die Hauptfigur: seine Erscheinung und seine Art sich zu bewegen, sein Bewegen der Steingruppen, sein Liegen, sein Gang zum Lager, sein Masturbieren, sein erstauntes Betrachten der Welt, und natürlich der peinliche Moment, in dem er merkt, daß er von Aemilius beim Wichsen beobachtet worden ist.

 

Dann ist es natürlich das, was er betrachtet: die Pinien, die Arten der Zapfen an den Pinien, das Zwitschern der Vögel, das Geräusch des Windes in den Pinien, das Vogelnest, Wolkenbildungen, der Ameisenhaufen, die Art der Gebüsche. Glücklicherweise bietet die normale Filmerzählung Methoden, diese beiden Ebenen durch Blicke und Totalen zu verbinden, so daß eine kompakte Erzählbasis des Films erzeugt werden kann, die zur Not auch ohne den darunterliegenden Text auskommen könnte.

 

All dies spielt im Freien. Es versteht sich, daß in der Art der bildlichen Aufbereitung die Natur eine geradezu bedrohliche Präsenz bekommen soll - bedrohlich nicht aus sich heraus (es gibt keine Stürme, Gewitter und Erdbeben) sondern durch die Unvertrautheit des Menschen Sulla mit ihren Grundgegebenheiten. Darin ist Sulla, obwohl sich der Stoff antikisierend gibt, ganz moderner Stadt- und Staatsmensch, modern eben in seiner Entfernung von den natürlichen Gegebenheiten, die nur in Momenten der Muße virulente Gegenwart bekommen.

 

Hier stellt sich sofort die Frage der Wirklichkeit des Stoffes und damit als erstes die Frage der Kostüme. Aus irgendeinem Grund habe ich den Eindruck, daß es dem Stoff Schärfe nimmt, wenn ich Sulla einfach in einem römischen Kostüm durch die Gegend laufen lasse, andererseits ist es aber gerade das Antike, das dem Wahn der sullanischen Innenwelt drastische und groteske visuelle Plausibilität verleihen kann - die Errichtung eines "Fotzenheiligtums" ist in finanzieller und ideologischer Hinsicht und auch von der individuellen inneren Erkenntnisfähigkeit her heutzutage ein Ding der Unmöglichkeit. Es heißt, daß Sexualität, über die wir lachen können, immer die Sexualität der anderen wäre, und wenn Sulla in einem römischen Kostüm steckt, ist er soweit von uns weggerückt, daß sein Masturbieren uns nur noch als vergangene Kuriosität betrifft.

 

Andererseits scheint mir der Rückgriff auf gegenwärtige Kleidung (abgeschnittene Jeans oder gepflegte Anzüge wie in Cheraus Wagnerinszenierungen, die etwas von der Wahnhaftigkeit der Bürgerlichkeit suggerieren sollen) auch zu schäbig und kurz gesprungen, denn die antiken Bestandteile des Textes würden sich dann zu weit von der Bildoberfläche entfernen. Mir schwebt daher ein Zwischenzustand vor, etwas, das nicht mehr Antike aber auch nicht Gegenwart ist. Man könnte es vielleicht als Noch-nicht-Gegenwart bezeichnen, eine Mischung von Science Fiction und modernem Design, die aber gleichzeitig gewissen antiken Momenten nicht widerspricht. In einem Film von Martina Ebel habe ich vor kurzem Kostüme gesehen, die dieser Vorstellung nahekommen - sie würden dem Sulla die merkwürdig unentschiedene Präsenz geben, die er auch im Text hat. Jemandem, der sich in antiken Kostümen nicht auskennt, könnte er als antik durchgehen, gleichzeitig sieht es aber auch nach Science Fiction aus. Eine solche Kleidung könnte ihn eine Zeitlang sogar zu einem halbverrückten Exzentriker machen oder - wirklichkeitsnah - zu einem Schauspieler beim Üben einer Theaterrolle, bevor er dann "wirklich" in der Antike angesiedelt ist. Er wäre dann in Gegenwart und Vergangenheit, eine nicht genau faßbare Gestalt, die sogar von einer hypothetischen Zukunft profitieren könnte und der Plausibilität einer sich andeutenden Veränderung des Mannes zum "homo masturbans" - plausibel jedenfalls angesichts einer durch fortschrittliche Gesetzgebung, häufigere Ehelosigkeit und das Aufkommen von Aids sich äußerlich entsexualisierenden Gesellschaft, in welcher die Natur der männlichen Triebhaftigkeit sich irgendeine alternative, zeugenlose Form von Existenz wird suchen müssen.

 

Dieses Äußere und Sullas Verhalten in ihm wäre die Grundschicht des Films. Über sie würde sich gelegentlich eine Schicht legen, die mit Sullas Erinnerungen und Vorstellungen zu tun hat.


 

2. GESCHICHTLICHE VERANKERUNG

 

Ein Bestandteil dieser zweiten Schicht besteht aus Sullas Erinnerungen. Ich denke, daß dem einfache Zwischenschnitte, wie sie seit der Nouvelle Vague inzwischen vielfach angewandt werden, genügen. Durch diese Erinnerungsbilder und das Auftauchen von Namen wie Marius, Pompeius und Crassus wird der Film zeitlich verankert: er spielt im Sommer 83 vor Christus in der Gegend von Anxor, dem heutigen Terracina. Die Präzision dieser Lokalisierung verlangt eine sorgfältigere historische Behandlung. Die Kostüme dieser neu auftauchenden Personen müßten darum der damaligen römischen Kleidung nahekommen, Togen also und Tuniken. Durch die Natur der Zwischenschnitte (kurz und mit gut bestimmbarem Ausschnitt) lassen sich die Kosten dafür in Grenzen halten. Wenn diese neuen Personen, beispielsweise die Fischteichbesitzer, gezeigt werden sollen, müßte auch romnahes Dekor auftauchen - dann könnten die von Sulla erinnerten Szenen die Ereignisse historisch verankern. Sullas und Mathildes Kleidung müßte so gestaltet werden, daß sie in diesem Rahmen als exzentrische Freizeitkleidung gerade noch durchgehen könnte.

 

Ich schreibe hier soviel über Kleidung, weil ich die Balance zwischen der privaten Ebene von Sulla/Mathilde und der öffentlich/staatlichen Welt für so wichtig halte, daß sie sich in den Kostümen niederschlagen sollte. Und dann scheint mir die Modernität dieses Konfliktes eine größere Abstraktion zu verlangen, als sie ein einheitlich ausgestatteter Kostümfilm einlösen kann. Außerdem gibt es das nicht unerhebliche Problem der Kosten: ein paar römischer Sandalen müssten einzeln angefertigt werden und kosten schnell mal 5.000 Mark. Das bedeutet, daß man diesen Film ohne ein klares Konzept in der Kostümfrage nie wird realisieren können. Für Erinnerungen und Vorstellungen gilt, daß sie nicht kontinuierlich inszeniert zu werden brauchen, ja nicht einmal dürfen, denn Erinnerung ist nun einmal sprunghaft und schert sich nicht um Kontinuität. Kontinuität ist bekanntlich teuer, denn eine normale szenische Auflösung verlangt eine umfassende Ausstattung (irgendwann sind die Füße einfach zu sehen, und dann müssen römische Sandalen an ihnen sein). Wenn die historische Komponente auf Erinnerungsbilder reduziert bleibt, kann man die Ausschnitte so wählen, daß die Kosten der Ausstattung ein erträgliches Maß nicht überschreiten.


 

3. DAS INNERE UND MATHILDE

 

Noch weniger als Sulla ist Mathilde in der Antike verankert, schon ihr Name ist Fremdkörper in diesem Zusammenhang. Sie ist eindeutig Teil von Sullas Phantasmagorie - wenn sie im Bild auftaucht, ist sie Teil von Sullas Gedankenwelt, zum Teil von seinen Erinnerungen (in der Szene mit den Fischteichbesitzern), vor allem aber von seinen Vorstellungen. Sullas Vorstellungen sollen ein weiterer Bestandteil der Bildebene sein, die sich in diesem Film der realistischen überlagern soll. Obwohl sich die logischen Strukturen von Vorstellungen und Erinnerungen widersprechen (Erinnerungen waren ja einmal real, Vorstellungen wollen es erst werden - meistens allerdings werden sie es nie), sind sie einander in unseren Köpfen visuell doch ähnlich - anscheinend benötigt das Hervorrufen eines Erinnerungsbildes ähnliche Anstrengungen wie die Hervorbringung einer Vorstellung; auch ein Erinnerungsbild muß man sich anscheinend erst einmal vorstellen, damit es einem gegenwärtig wird - so jedenfalls argumentierte im fünften Jahrhundert der heilige Augustinus, dessen Selbstbetrachtungen über das Funktionieren von Gedächtnis und Erinnerung von modernen Physiologen noch nicht wesentlich übertroffen worden sind.

 

Etwas weniger verstiegen als seine Vorstellungen von dem, was er mit Mathilde anstellen wird, sind Sullas Absichten in Bezug auf Architektur und Politik. Auch diesen würde ich Bildform zu geben versuchen. Näheres dazu möchte ich in dem Kapitel über Architektur erläutern. Andere, impulsivere Absichten dagegen ("Soll ich den Ziegenhirten umbringen lassen?") könnten ähnlich wie der Mathilde-Komplex behandelt werden.

 

Wegen der Ähnlichkeit von Erinnerung und Vorstellung gilt auch für die Vorstellungen im Prinzip das, was wir im vorigen Kapitel gesagt haben, aber dann scheint dem Erinnern wohl doch ein soliderer und weniger heftiger Modus als den Vorstellungen zu entsprechen, insbesondere den Vorstellungen sexueller Art.

 

Gibt man der Welt der Vorstellungen und Erinnerungen in einem Film Bildraum, so entstehen häufig visuelle Widersprüche: wenn sich Sulla zum Beispiel "real" einen abwichst und sich gleichzeitig irgendwie vorstellt, daß er dabei etwas mit Mathilde anstellt, sagt einem der gesunde Menschenverstand, daß man sich für eins der Bilder entscheiden muß. Eine solche Situation (obwohl für einen Masturbierendem ganz alltäglich und normal) hat aber eben mit dem gesunden Menschenverstand nur noch wenig zu tun (und ist womöglich auch nicht gesund, ich jedenfalls wage das nicht zu entscheiden) - wird das akzeptiert, öffnet sich sofort ein ganze Palette von Bildmöglichkeiten: das Dazwischenschneiden der Vorstellungen (unter Umständen auch in Form eines Negativs), die Doppelbelichtung von Wirklichkeit und Vorstellung (wieder vielleicht als Doppelbelichtung der realen Szene mit dem Negativ der vorgestellten), das partielle Ineinanderkopieren der beiden Ebenen und manches andere. Ich würde versuchen, im Lauf des Films eine ganze Reihe solcher visuellen Mischzustände zu erzeugen. Das muß sich natürlich organisch aus dem Material entwickeln und darf nicht mechanisch erzeugt wirken. Spielerisch muß es sein und den drastischen Humor des Textes noch drastischer machen, dann wird es, denke ich, funktionieren - ich bin jedenfalls zuversichtlich, daß ich mich dieser Leichtigkeit durch praktische Arbeit am Material nähern kann.

 

Man könnte auch Mathilde als Vorstellungsgebilde auch zunächst im Negativ erscheinen lassen, um sie dann in einem "fortgeschrittenerem" Zustand der Vorstellung ins Positiv zu verwandeln, während sich gleichzeitig die reale Welt ins Negativ verkehrt. All das muß im Detail am Schneidetisch entwickeln werden, so daß gelegentlich eine Art visueller Trance entstehen kann, eine Mischform von Positiv und Negativ, in die sich immer neue Elemente integrieren lassen.

 

Diese Art der Bildaufbereitung darf natürlich immer nur kurze Zeit andauern, in etwa synchronisiert mit den Ausbrüchen von Sullas gesteigerter Vorstellungsaktivität, so lange eben, wie in uns allen Vorstellungsfähigkeit Amok laufen und unsere Wahrnehmung die Wirklichkeit verwandeln kann. Sobald Sulla sich wieder beruhigt hat, soll auch das Bild wieder ruhiger und der Raum, in dem er sich bewegt, solide und "kinoüblich" werden.


 

4. VORGESTELLTE VERGANGENHEIT: DEMETRIUS UND MARSYAS

 

Wieder anders wirken geschichtliche und kulturelle Ereignisse, die Sulla nicht selbst erlebt hat, die aber zu seinem "Bildungsgut" gehören: antike Geschichtlichkeit (wie die Episode mit Demetrius und Cratesipolis), antike Literatur (das Circe-Motiv aus der Odyssee) oder auch antike Mythologie (wie das Marsyas-Motiv, in dem die Grundsituation des Films angerissen wird: das Warten des Satyrs auf die Nymphe). Es handelt sich um Vorstellungen über Geschichtlichkeit, und da Sulla eine historische Person ist, müssen seine Vorstellungen von heute aus gesehen zum großen Teil erkennbar falsch aussehen. Bei der bildlichen Umsetzung dieser Vorstellungen würde ich von naiven Darstellungen von Geschichtlichkeit ausgehen wollen, wie sie in der Frühzeit des Kinos vorkamen - so grobschlächtig wie in italienischen Filmen vor dem ersten Weltkrieg oder auch wie in manchen von Griffiths Kurzfilmen, in denen schnell und billig irgendeine Art von geschichtlichem Anschein erweckt wurde. Von heute aus gesehen wundert man sich häufig, wie die Schauspieler damals als "realistische" Westernhelden, Indianer, Neandertaler oder Römer haben durchgehen können - anscheinend aber ging es. Vielleicht wäre bei einer ähnlichen Verfilmung dieser Vorstellungen sogar eine slapstickartige Tempobeschleunigung angebracht - das müßte aber sehr gut mit den Kostümen und der übertriebenen Drastik der Darstellung ausbalanciert sein, wenn es nicht so schäbig wirken soll wie in einer Langnese-Eiscrem-Werbung.


 

5. DER HISTORISCHE SULLA

 

Da im Laufe des Films immer mehr historische Personen und Ereignisse auftauchen, zu denen Sulla sich in Beziehung setzt, nähert er sich zunehmend der Gestalt des historischen Sullas an.

 

Der historische Sulla (128-78 BC) ist ein schillernder und eher unsympathischer römischer Militär und Politiker, der uns vor allem durch Sallust, Plutarch und Appian überliefert wurde. Obwohl Plutarch aus Sullas Gegnerschaft zu Marius eine spannende Geschichte zu spinnen verstand, gibt es bisher keine dramatische Verarbeitung seiner Biografie - Grabbe hat sich einmal daran versucht, sein Drama ist aber Fragment geblieben. Sulla ist bekannt als erster Feldherr der republikanischen Zeit, der durch den Einsatz der Armee in einem Bürgerkrieg zu absoluter Macht kam und sich dann zum Diktatator ernennen ließ. Anschließend führte er systematisch "Säuberungen" durch, in denen er seine politischen Gegner vernichtete. Er schuf damit einen Präzedenzfall, dessen Wiederholung über Caesars Diktatur schließlich zur Abschaffung der römischen Republik führte und zum absoluten Caesarentum inclusive der daraus resultierenden Katastrophen: Augustus - Tiberius - Caligula - Claudius - Nero.

 

Sulla selbst allerdings fühlte sich der republikanischen Idee noch so weit verpflichtet, daß er ohne jeden Zwang nach zwei Jahren die Diktatatur freiwillig niederlegte, nachdem er seine politischen Ziele erreicht hatte - deshalb war er schon der Antike ein Rätsel. Seine Ziele bestanden anscheinend nicht so sehr in dem Erlangen persönlicher Macht als in der Wiederherstellung der durch Klassengegensätze im Bürgerkrieg zerrütteten römischen Republik.

 

 

Die antiken Geschichtsschreiber beschreiben ihn als eine ungewöhnlich schillernde Gestalt, derer sie sich mit den ihnen vertrauten Kategorien - nach eigenem Urteil - nie recht haben bemächtigen können. Er kam ihnen zu widersprüchlich vor: Er raubte viel und verschenkte noch mehr, heißt es. Er erwies unerwartete Ehrenbezeugungen und beschimpfte ebenso unerwartet; schmeichelte denen, die er brauchen konnte, und begegnete denen mit Härte, die seiner bedurften. Um geringster Ursachen willen verhängte er Todesstrafen und ließ kurz danach ärgste Verbrechen ungeahndet, ja selbst gröbste Beleidigungen verzieh er gelegentlich willig, um kurz danach wieder unbedeutende Fehltritte mit Hinrichtung und Einziehung der Güter zu bestrafen. Und weiter lesen wir bei Plutarch: Obwohl brutal in der Durchsetzung seiner Politik hatte er von Natur aus einen Hang zu Spötteleien, lebte mit Komödianten und Possenreißern in vertrautem Umgang und nahm selbst als Diktator noch an ihren Ausschweifungen teil. So geschäftig und finster er auch als Politiker war, ging mit ihm eine gänzliche Veränderung vor, sobald er sich mit Sängern und Tänzern zu Tische setzte - gleich ließ er sich ohne Bedenken zu jeder Art von Unterhaltung herab, war ausgesprochen ausgelassen in der Liebe und hatte, wie es heißt, einen Hang zur Wollust, der auch im Alter nicht nachließ. Plutarch brachte diese der Antike unverständliche Widersprüchlichkeit auf einen Nenner: in genialer Hilflosigkeit bezeichnete er Sulla als "ungleich sich selbst".

 

Im Film möchte ich diesen historischen Sulla mit dem im Text entworfenen Charakterbild männlicher Verwirrtheit kreuzen. In einem Nebenmotiv geht es mir dabei auch darum, ein bestimmtes Modell männlicher Manie so auf die Spitze zu treiben, daß man einen Eindruck davon bekommt, eine wie gefährliche Maschine (man erinnere sich an das Wort "Säuberungen") ein "großer" Politiker werden kann, wenn er nicht in Kontrollstrukturen eingebettet wird. Ich hoffe, daß etwas von dem Gespenstischen, das absoluter Macht anhaftet, im Text enthalten ist, und daß sich das bei der Verfilmung nicht verliert.

 

Ich füge noch die Zusammenfassung von Sullas Biografie aus dem Kleinen Pauly bei (Anlage). Die Biografie von Fröhlich aus dem Großen Pauly ist stark ideologisch gefärbt, dennoch aber eine akribische Zusammenfassung (inclusive Quellenangabe) aller über Sulla bekannten Details.


6. ARCHITEKTUR

 

Außer in der Politik hat der historische Sulla auch in der Baugeschichte Spuren hinterlassen. Es überrascht, daß dieser unausgeglichene, sprunghafte, in seiner Widersprüchlichkeit modern anmutende Charakter als Diktator tatsächlich einer neuen Architektur zum Durchbruch verholfen hat. Erst mit dem, was in der Kunstgeschichte als "Sullanische Architektur" bezeichnet wird, beginnt eine eigenständige römische Architektur. Im Gegensatz zur griechischen ist sie durch die exzessive Nutzung von Mörtel und Beton gekennzeichnet. So merkwürdig und modern es auch klingt: das Konzept der Zubetonierung und Planierung ganzer Flächen, ja sogar von Bergen (im Prinzip eben der ganzen Welt) ist im sullanischen Rom entstanden und hat in den Terrassenheiligtümern von Palestrina, Terracina und Tivoli die ersten Bauwerke hinterlassen, die diese Signatur tragen. Diese Entwicklung wurde durch die exzessive Nutzung des römischen Bogens und die Erfindung des Betons ermöglicht, durch die die tragenden Säulen der griechischen Architekten überflüssig wurden. Tatsächlich entstanden damals (am Sullanischen Tabularium in Rom) auch die Konzepte der heutigen "Postmoderne", in denen Säulen und griechische Vorlagen ihrer Funktion beraubt nur noch als Zitat und Ornament benutzt wurden.

 

Wenn also Sulla von Mauern mit Betonkern, von Bögen und Terrassierungen von ganzen Bergen redet, gibt es in seiner Argumentationswirrnis immer einen rationalen Kern, zu dem es sogar archäologische Befunde gibt. So ist sein "Doppelheiligtum" nach dem Iuppitertempel in Terracina modelliert, dessen Fundament noch immer beeindruckend steht (Anlage).

 

Von daher gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Sullas Gedanken zu Bildform zu verhelfen: einmal natürlich mit Skizzen, Zeichnungen, Holz oder Sandmodellen, die einkopiert oder eingeschnitten werden können; dann aber auch mit gebauten Objekten: mit Mauern, Säulen, griechischen Architekturdetails; dann mit ganzen Architekturkomplexen: Palestrina, Terracina, dem Tabularium; oder auch mit beispielhaften Bauvorgängen: wie man eine Mauer baut, wie man Beton mischt, wie man einen Estrich legt.

Dabei möchte ich mich auch von Heinz-Otto Lamprechts Buch "Opus Caementium - Bautechnik der Römer" leiten lassen, einer Veröffentlichung des Römisch Germanischen Museums in Köln in Verbindung mit einem Düsseldorfer Verlag mit dem bezeichnenden Namen "Beton-Verlag". Im Anhang füge ich einige Seiten daraus bei, insbesondere interessieren mich die Betonquerschnitte der Seiten 47ff, die noch im Museum herumliegen, aber auch Mauerreste und Abwasseranlagen aus der Gegend von Köln und Xanten, in denen römische Bauweise zum Teil deutlicher erhalten ist als in den italischen Resten.

 

Natürlich sollte man auch sehen, was aus diesen beispielhaften Bauwerken heute geworden ist, wie sie also durch die Zeit verstümmelt worden sind und von der großen ihr zugrunde liegenden Idee kaum noch was übrig lassen - dies gilt auf jeden Fall natürlich für das Fundament des Iuppitertempels von Terracina, weil er ja in der Geschichte eine so große Rolle spielt. Und natürlich gilt das für die Reste des Forum Romanums an der Stelle im Text, an der Sulla befürchtet, daß irgendwer "vom Palatin auf das Forum hinunterpinkeln würde", und daß man deshalb den Palatin einebenen müsse - das Hinunterpinkeln jedenfalls läßt sich durch perspektivische Verkürzung schon abbilden. Und es gibt natürlich die Versuchung, den Film an dieser Stelle irgendwann in die Gegenwart "hineinplatzen" zu lassen: wenn man schon den gegenwärtigen Zustand der antiken Ruinen zeigt, könnte man irgendwann - gegen Ende des Films - auch zeigen, was aus den sullanischen Architekturprinzipien geworden ist, und wie heutzutage Baumaschinen die Welt in betonierte Flächen verwandeln. Mehr dazu in dem Abschnitt über die Welt von heute.


 

7. PLATON UND PARMENIDES

 

Die merkwürdige Mischung von Sullas charakterlicher Unbalanciertheit und seiner auf Beton basierenden Bauwut macht für mich den Reiz des Stoffes aus. Jeder weiß, daß sich absolute Herrscher gern in Bauwerken verewigen - dabei beläßt man es allerdings meistens, so als wäre dies eine darwinistische Selbstverständlichkeit. Ich habe versucht, in Sullas Charakter eine Art innerer Notwendigkeit zu konstruieren, die zu dieser Bauwut führt, eine Angst vor einem unkontrollierbaren Innen, dem dieser Mann sich nicht gewachsen fühlt. Er versucht diese Angst in einem sublimativen Akt durch die Errichtung eines Bauwerks zu kompensieren, das mit der Natur das macht, was er mit seinem eigenen Trieb zu gern machen würde, sie nämlich einschließen. Er will die Natur zubetonieren und eine künstliche Oberfläche schaffen, die ihr aufliegt, eine Art Containment all dessen, was man an der äußeren Natur (als Metapher der eigenen inneren) nicht beherrschen kann. Gleichzeitig läuft er Amok gegen das Prinzip der Symmetrie, weil er richtig erkennt, daß Symmetrie zum platonischen Ideengebäude der Welt gehört, das von seinem inneren Drang nichts wissen will, das ihn gnadenlos verpotten und auslachen will. Sulla hat Platos Akademie im Jahre 86 nicht zufällig zerstört und ihre Platanen in Belagerungsmaschinen verwandelt. Als er mit ihnen Athen eroberte und danach plünderte, hat er sich an mehr als einem griechischen Ideal gerächt. Nein, Sulla war keiner, der die schöneren Errungenschaften der Menschen noch bewundernd bestaunt.

 

Das bewundernde Staunen läßt als Ausgangspunkt von Philosophie ja keinen Raum für das tatsächliche Vorhandensein von Disharmonien, Häßlichkeit und letzten Endes des Bösen. So beschäftigt sich nicht zufällig keiner der platonischen Dialoge mit der Frage des Bösen und Unmenschlichen, mit der sich Sulla in seinem Inneren konfrontiert sieht. Nur im "Parmenides" wird auf die Konsequenzen eingegangen, die sich aus der Existenz abstoßender Dinge und Handlungen für die Ideenlehre ergeben müssen.

 

Wie, so fragt Parmenides dort, steht es mit völlig "trivialen und niederen Gegenständen" wie "Haar und Schmutz", die niemanden je zur Bewunderung veranlaßt haben? Platon, der durch den Mund des Sokrates redet, bedient sich hier nicht der später üblichen Rechtfertigung des Bösen und Häßlichen als notwendigem Teil des Ganzen, die nur aus der beschränkten Sicht des Menschen als bösartig oder häßlich erscheinen. Sokrates antwortet vielmehr, es wäre einfach ungereimt, mit derartigem Material Ideen in Verbindung zu bringen - "in diesen Fällen sind die Dinge einfach das, was wir sehen" - und er schlägt vor, an diesem Punkt abzubrechen, "sonst könnte man in einen bodenlosen Abgrund des Widersinns verfallen".

 

In genau dieser Situation findet sich Sulla. Jemand, der einem Masturbationszwang unterliegt, wird zu einer merkwürdigen Mischung von einem Platoniker und einem Antiplatoniker: einerseits stellt er sich etwas vor, was einer reinen Idee von sexueller Erfüllung nahekommen könnte, anderseits aber bewegt er sich real und für einen äußeren Beobachter augenfällig im Bereich des Parmenidesschen Schmutzes, der ja schließlich am Ende seiner Vision als unappetitliches Sperma an seinen Hände kleben wird.


Staatschefs verschreiben sich in der Regel platonischen Keuschheitsprinzipien, die Dreck und Schmutz (nicht nur in sexueller Hinsicht) nicht wahrhaben wollen. Sind sie mit absoluter Macht ausgestattet, wollen sie dann bei ihren Untertanen all das ausrotten, was ihnen als Schmutz erscheint (wenn es nicht gelingt, müssen eben die dreckigen der Untertanen dran glauben). Zu diesem Typ Chef gehörte Sulla anscheinend nicht. Das gibt ihm einen (vielleicht den einzigen) sympathischen Zug, denn angesichts der Auswüchse von "idealen" Staatsgebilden in der platonischen Tradition gibt es guten Grund, zum Antiplatoniker zu werden.


 

8. NATUR UND SYMMETRIE

 

Das Innere der Lebewesen (Gedärme, Leber, Milz, Herz) ist in einer für unser platonisch geprägtes Schönheitsempfinden beängstigend wirkenden Weise amorph und asymmetrisch, während ihr Äußeres durch oft gefällige Symmetrie bestimmt wird. Diesem platonischen schönen Schein möchte Sulla (der als junger Mann in einem Freudenhaus gelebt hatte und dort so mache Demaskierung des schönen Scheins erlebt haben muß) in seinen Bauwerken nicht zu einem neuen Triumph verhelfen. Zum Zubetonieren sagt er also "Ja!" (Es muß eben sein) - "Aber bitte asymmmetrisch!" (Der Wahrheit zuliebe)

 

Einem Antiplatoniker verwandelt sich perfekte Gestalt in verwirrende Details. Aus dem Ideal eines Baums wird beim Betrachten einer Pinie etwa das unverständliche Konglomerat ihrer Bestandteile: verkrüppelte Äste, herabgefallene Nadeln, vielgestaltige Zapfen, die ein unentwirrbares Durcheinander bilden. Er bemerkt Unterholz und Gestrüpp, die sich keinem platonischen Ideal fügen wollen, er stößt auf tote Vogelnester, Pferdeäpfel, Ameisenhaufen; statt des schönen Erscheinungsbildes von Pferden bestaunt er ihr Pissen.

 

Dem sollten im Film auch zwei Arten von Photographie entsprechen. Zum einen müßte es eine "platonische" Photographie geben: gut gerahmt, ein schönes Bild, Symmetrien und eine Idee enthaltend. Und dann ein "antiplatonische" (oder "parmenidessche") Photographie: symmetrielose Details, die atmosphärisch wirken und keine "Idee" enthalten, sondern nur noch Substanz. Diese beiden Arten von Photographie könnten im Film gegeneinander um die Vorherrschaft kämpfen. Ein konventioneller Spielfilm ist in diesem Sinne fast immer "platonisch" photographiert, und jeder Kameramann kann einem erzählen, wie schwer es ist, symmetrielose Objekte wie Gedärme und Ähnliches "gut" zu photographieren - irgendwie sieht jedes Bild gleich gut oder eben gleich schlecht aus. Auf jeden Fall möchte ich versuchen, eine Form für diesen Film zu entwickeln, in der beide Arten von Photographie existieren können.

 

Das Häßliche des Parmenides ist kein Ort konventioneller Erbauung und wahrhaft kein Ort des platonischen Staunens. Erst das Mikroskop hat "Haare, Kot, Schmutz" in die Welt des Staunens überführt. Ein von der eigenen Natur geschundenes Individuum wie Sulla allerdings, das spürt, wie es dem chaotischen Drängen im Inneren unterliegt, vermag ausgerechnet in den unplatonischen Aspekten der Natur ein seltsames Spiegelbild der eigenen Verwirrtheit zu entdecken. Ihm gelingt eine eigenartige Identifikation mit Ameisen, Tannenzapfen und Pferdeäpfeln, die wie das Innere kein glamouröses Erscheinungsbild haben, aber eine hartnäckige Präsenz. Gerade in diesem unverständlichen Durcheinander kann jemand wie Sulla die eigene Natur erkennen. Es geschieht freilich nur in einem hilflosen Betrachten, denn diese neu entdeckte "häßliche" Natur wird im Gegensatz zur "hübschen" zu einem "Das da", von dem man kein Teil sein will.

 

Um sie wahrzunehmen, benutzt Sulla eine primitive Naturwissenschaftlichkeit, die zählen und Symmetrien erkennen kann. Dabei scheitert er (z.B. bei der Analyse der Vogelpiepser) wie Don Quichote schon an den einfachsten Zusammenhängen. Ich würde versuchen, diesen Moment der "wissenschaftlichen" Analyse noch zu betonen, indem ich im Moment der Beobachtung die Natur plötzlich dünner und ärmlicher werden lasse: das Fiepsen des Vogels würde ich durch ein Syntheziser-Gezwitscher ausdrücken wollen, das Sulla zu analysieren versucht. Bei einer solchen Ausdünnung der Wirklichkeit könnte er als Amateur mit seinen Beobachtungen gerade noch Erfolg haben. Diesem könnten sich später richtige Vogelstimmen beigesellen, und irgendwann wird das durch Überlagerungen zu einem, wie Sulla es ausdrückt, hysterischen Gefiepse von Welt, in dem er (wie die meisten von uns) überhaupt nichts mehr verstehen kann. Auch bei Sullas Beobachtung des Windes könnte man ähnlich vorgehen - auch sein Geräusch ließe sich zur klareren Analyse künstlich erzeugen und dann mit natürlichem mischen. In einem solchen Vorgehen spiegelt sich eine Art Antinomie zur Natur durch den Prozeß der Beobachtung wieder: was einem eigentlich ein ganzheitliches Gefühl von Eingebettetheit geben könnte, wird durch Beobachtung und Verwissenschaftlichung verdünnt und zerstört.

 

Bei Geräuschen ist diese Ausdünnung der Wirklichkeit plausibel. Ich überlege noch, ob sich dieses Prinzip auch auf Bilder oder Teile von ihnen ausdehnen läßt. Die Künstlichkeit und die ärmliche Wissenschaftlichkeit, die sich dahinter verbirgt, würde auch die Entfernung des Stadt/Staats-Menschen Sulla von der Natur augenfälliger machen. Wie das im einzelnen aussehen könnte, muß man der praktischen Arbeit überlassen (und dem C-Band des Negativschnitts, das für die Doppelbelichtungen sorgen soll). Die Designerin Rouli Lecatsa wäre zum Beispiel bereit, Pferdeäpfel aus vergoldetem Metall für den Film zu entwerfen. Und auch den Kalksteinen der Sitzgruppen könnte womöglich ein künstlicher Herstellungsprozeß prägnantere Präsenz verleihen. Vielleicht lassen sich auch Skizzen zu Symmetrie und Asyymetrie (wie in dem Kapitel über Architektur schon angedeutet) in den Film einbauen oder einblenden, oder auch naturwissenschaftliche Diagramme - man muß sehen, wieweit sich Bilder für die Ideenwelt finden lassen, vielleicht entstehen sie auch als Nebenmotive in an sich anders gerichteteten visuellen Argumentationsketten.

 

Man merkt vielleicht, daß diese Projektbeschreibung eher ein Ideenkatalog ist, aber ich bin dazu gekommen, die szenische Auflösung erst ein paar Tage oder unmittelbar vor dem Drehen zu machen, wenn nämlich die Topographie des Ortes, das Wetter, die Form der Schauspieler, die Kostüme, und natürlich auch die Geldfrage wirklich geklärt sind. Bis dahin arbeite ich vor allen an Ideenfeldern und ihrem Bezug zu möglichen Drehorten, zwischen denen sich der Film bewegen soll. Beim Drehen habe ich das Gefühl, daß mir diese Ideenfelder erst eine Perspektive geben - es ist ja nicht damit getan, ein Objekt nur abzubilden, es muß ja auch "richtig" abgebildet werden, und diese "Richtigkeit" ist oft entscheidender als das Objekt selbst, das man auch durch ein anderes ersetzen kann. Durch das Drehen aber wird diese mögliche Austauschbarkeit beendet und danach betrachte ich dann gewisse Komplexe der Ideenfelder als "abgedreht".

 

In Sullas Verhältnis zu Natur und Körper kann ich mich natürlich selbst erkennen - da ist er ganz mein alter Ego. In diesem Bereich ist er kein Herr aus der Antike, sondern die Art seiner Wahrnehmung liegt dicht bei meiner eigenen. Die Arbeit mit dem Gegensatz von "platonischer" und "parmenidesscher" Abbildung ist meinem ästhetischen Empfinden inzwischen eingebaut, deshalb bin ich auch zuversichtlich, das Wesentliche davon in den Film überführen zu können. In einem gewissen Sinne ist für mich die Planung und Herstellung dieses Films durchaus vergleichbar mit der Errichtung eines Bauwerks, das Sullas Doppelheiligtum nicht einmal so unähnlich sein könnte. Das Verhältnis von Außen zum Innen, von Schön zu Häßlich jedenfalls und das zwischen Symmetrie und Asymmetrie ist im Moment dabei, sich in meinem Kopf neu einzustellen - und nicht nur in meinem Kopf, denke ich: im Zeitalter von Biochemie, DNS, Hormonen und Genen wird sich da einiges ändern müssen. Vielleicht leistet der Film ja einen Beitag dazu.


 

9. DIE WELT HEUTE

 

Natürlich soll das kein Film über die Antike werden, sondern ein Film über heute. Die Antike soll ein Vorhang sein, aus dem heraus die Gegenwart ans Licht kommt. Die Ideenfelder und Konflikte der Personen sind natürlich "modern". Dennoch aber gibt es erhebliche Probleme, sie im Zusammenhang dieses Films auch "modern" zu bebildern, weil der Film seine Kontinuität und seinen Illusionsraum aus der Antike zieht. Solange man unter "modern" nur die Erzählform versteht, gibt es seltsamerweise keine Probleme. Die Schwierigkeiten entstehen erst, wenn die Bilder modern im Sinne von "gegenwärtig" werden, wenn also auf ihnen Objekte zu sehen sind, die man eindeutig in der Gegenwart ansiedeln muß: Autos, Fernsehantennen, Hochhäuser.

Damit sind wir bei der dritten Bildebene des Films, die wir als den Einbruch der Moderne in das antike Erzählkontinuum bezeichnen könnten. Einiges von dem, was über Architektur gesagt wurde, weist schon in diese Richtung, das Auftauchen etwa der Ruinen des Forum Romanums oder des Fundaments des Iuppitertempels in Terracina, das so gezeigt werden soll, wie es heute aussieht. Diese Bilder haben einen Typ Logik, die sich leicht in das Erzählkontinuum integrieren läßt. Schwieriger wird es, wenn man an den Stellen, an denen Sulla von belagerten Städten redet, diese Städte (Privernum, Norba, Sezze) in ihrer heutigen Erscheinungsform (inclusive Autos und Fernsehantennen) auch zeigt, aber ich bin sicher, daß es auch da gelingen wird. Und auch die weitergehende Idee, daß man vielleicht einmal eine Totale des heutigen Roms inclusive Autoverkehr unter eine dieser Wichs- oder sonstwie politischen Phantasien legen kann, hat etwas Bestechendes, wenn dadurch der Eindruck entsteht, so etwas würde gerade in diesen Häusern ausgebrütet. Aber prinzipiell ist das Auftauchen gegenwärtiger Bilder in diesem Film ein heikler Punkt. Ich bin nicht sicher, wie weit er gangbar sein wird, ohne das Erzählkontinuum so radikal zu zerstören, daß der Film einem Zuschauer beliebig erscheint. Wenn der Eindruck einer nervösen Spielerei entsteht, sollte man die Finger davon lassen.

 

Andererseits ist für einen Filmmacher zeitliche und inhaltliche Vielschichtigkeit natürlich eine Herausforderung. Und wenn so ein Einbruch der Gegenwart in den Film einmal überzeugend gelingt, kann dieses Thema danach variiert werden. Inwieweit nur in drei, vier Einsprengseln oder in zwanzig, muß bei der Fertigstellung des Films erfühlt werden. Ich kann mir vorstellen, daß plötzlich ein ganzer Bildkomplex mit modernen Architekturbeispielen aus dem Film herausragt wie der Felsen für Mathildes Sieg aus Sullas Zementterrasse. Und daß der Film gegen Ende noch eine Vertikale über dem Geschehen vertragen würde, einen noch entschlosseneren Schritt in die Modernität, für den ein unterstützender Text geschrieben werden könnte. Warum sollte sich dabei die sullanische Architektur nicht in Industrieanlagen und Wohnblocks verwandeln dürfen, in das also, was aus der zukunftsweisenden Idee der heiligen zementvergossenen Terrasse geworden ist? Warum eigentlich sollte ein so wunderbares Bild wie das von Seite 68 aus Lamprechts Buch über römische Bautechnik keinen Platz in diesem Film finden können? Warum sollten nicht auf einmal einige der Lamprechtsschen Betonquerschnitte auftauchen können und eine Einführung in die Betonbauweise, die gleichzeitig wissenschaftlich seriös und eine Art Karikatur wäre? Warum sollte es nicht zusätzlich ein paar Bemerkungen über das Verhältnis des Außen zum Innen geben? Ist das wiederum einmal geschafft, macht auch das Auftauchen von Diagrammen und ähnlichem Bildmaterial, das zu den Darstellungen des Denkens gehört, visuell mehr Sinn. Die einzige Beschränkung (außer der der Logik in der Kontinuität) besteht doch in der kurzen Vorführdauer eines Films. Es kann jedenfalls nicht schaden, einiges davon zu drehen. Wenn es später in den Film passen sollte (man kann das meiner Ansicht nach nur gefühlsmäßig beim Schnitt entscheiden), könnte diese Modernität ihrerseits wieder zuständig werden für die Verwirrung in Sullas Kopf - es gäbe also eine Art Kreuzung der Verwirrtheit Sullas mit der Verwirrtheit der Welt (die Köpfe der Vergangenheit waren natürlich nicht weniger verwirrt als die heutigen, sie waren aber "anders" verwirrt, vielleicht war ihre Verwirrung weniger entschlossen), an der man die Entferntheit der biologischen Natur des Menschen von den gesellschaftlichen Gegebenheiten ablesen kann, die (wie man früher sagte) "notwendig" zu einer der Einstellmöglichkeiten unserer Existenzen führen muß: zu Neurose, Psychose, Perversion oder Sublimation.

 

Zur Welt heute gehört natürlich auch ihre Einstellung zu Sexualität und Pornographie, auf die der Text ein Echo ist. Bei den erwähnten Hearings um die Nominierung des Richters Thomas hat man gesehen, wo da die Fronten verlaufen. Reaktionäre möchten am liebsten jede Form von Pornographie (nüchtern gesagt: etwas Künstliches, was einem Mann eine Erektion verschafft) verbieten, und viele Liberale würden Sexualität am liebsten ganz aus der Wirklichkeit verbannen, weil nun einmal jederzeit jemand durch die Sexualität eines anderen belästigt werden könnte (das ist ein Teil des Wesens der Sexualität). Mir selbst ist unwohl bei dem Gedanken, daß ich das Grundrecht erstreben soll, nirgends und von niemandem belästigt zu werden. Ein Staat, der das verwirklicht, wird eine ziemlich platonische Angelegenheit, die, um aufrecht erhalten zu werden, nach Terror und Denunziation förmlich schreit, weil einfach zu viel unter den Tisch gekehrt werden muß. Soll ich mir etwa auch das Grundrecht erkämpfen, auf Straßen nicht angebettelt, in Kneipen nicht beschimpft und von Vertretern nicht belästigt zu werden? Auch von vielen Formen von Architektur fühle ich mich ja belästigt, warum sollte ich sie (anders als jemand wie Sulla) deshalb verbieten lassen? Ich glaube eher nicht, daß mir ein Staat gefallen würde, der das Recht auf Nichtbelästigung garantierte. Das Grelle und die Belästigung sind ja auch Herausforderungen, denen man sich stellen oder vor denen man ausweichen kann, Strukturmerkmale, die einem helfen, seinen eigenen Lebensweg zu konstruieren. In diesem Sinne sind sie sogar begrüßenswerte Bereicherungen der Welt, die Verwaltungsmenschen allzu leicht etwas zu fad anlegen wollen. Und es gibt immer andere, denen das, was mir als Belästigung erscheint, aus irgendeinem mir nicht einsichtigen Grund zum Glück verhelfen kann. Was ist, wenn ich mit denen in einem Raum bin? Ich jedenfalls käme mir als Maß der Legislative lächerlich vor, und ich hoffe daß "Sulla" ein Film wird, dessen Grellheit auch so eine Bereicherung der Welt ist.

 

Es soll jedenfalls ein Film entstehen, den es so oder in ähnlicher Form noch nicht gegeben hat. Das gilt natürlich für viele Filme, aber Film wird sich in der Zukunft als Kunst vielleicht besser behaupten können, wenn er in irgendeiner Form durch seine realistische Oberfläche hindurchsticht und sich dem nähert, was man menschliches Denken nennt. Und zwar nicht nur dem rationalen und erkenntnisförderndem Denken, sondern eben dem, was das Menschliche am Denken ausmacht, diese eigenartige Mischung von Vernunft und fixer Idee, deren Humor einen gelegentlich mit der Sterblichkeit versöhnt.



III. VORGEHENSWEISE

 

Als erstes soll die erste Schicht des Films möglichst ausführlich hergestellt werden, die Grundschicht des Films, die Sulla und seine Handlungen an diesem Nachmittag beschreibt: Sulla und die Natur, Sulla und die Steinhaufen, Sulla und die Pinie, Sulla hört dem Vogel zu, Sulla und das Vogelnest, Sulla und die Pferde, Sulla und das Lager, Sulla ißt, Sulla wichst sich einen ab, Sulla schläft, Sulla wird von Aemilius beobachtet, Sulla unterhält sich mit Aemilius und so weiter. Ich denke, daß das in behäbiger Ausführlichkeit inszeniert leicht siebzig Minuten einnehmen kann.

 

Dann soll möglichst vollständig eine zweite Schicht hergestellt werden, in der versucht wird, dem Text Satz für Satz ein Element aus den anderen Schichten abzugewinnen. Dafür würde ich eine Art Ideenkatalog für die einzelnen Sätze anfertigen, aus dem dann gezielt einige Kernpunkte verfilmt werden könnten, andere wiederum bei sich bietender Gelegenheit (es erstaunt doch immer wieder, wie viele Gelegenheiten sich beim Drehen so nebenbei bieten, aber man hat keine rechte Idee, wozu man sie verwenden könnte, und läßt es deshalb). Aus dem so entstandenen Material würde ich beim Schnitt einen möglichst vollständigen Film herzustellen versuchen. Dieser Film würde dann vor allem aus assoziativen Bildern der Zusatzebenen bestehen.

 

Als drittes würde ich einige der Vorstellungen Sullas extra inszenieren und schneiden, um dem Hysterischen seiner Vorstellung besondere Schärfe zu geben. Die Inszenierung müßte deutlich von der Behäbigkeit der ersten Grundebene abweichen. Das ergäbe vier oder fünf Blöcke von jeweils ein paar Minuten Länge.

 

Bei all dem muß mit einem hohen Grad von Improvisation vorgegangen werden - das entspricht zum einem meinem Temperament, zum anderen handelt es sich selbst bei den konventionell erzählten Teilen ausschließlich um Außenaufnahmen in hügeligem, buschigen Gelände, und da ist man so sehr von Wetter, Licht und vor allem der Textur des Terrains abhängig, daß meiner Erfahrung nach eine brauchbare szenische Auflösung nur am Drehort selbst vorgenommen werden kann. Das versteht sich bei den abstrakteren Teilen ohnehin von selbst, denn römische Ruinen tun einem nicht den Gefallen, in voller Schönheit vor der Kamera aufzublühen, sondern man muß sich mit dem abfinden, was nun einmal da ist - wenn es unmöglich ist, ein bestimmtes Motiv zu zeigen, ohne daß gleichzeitg eine Straße zu sehen ist, muß man sich eben Gedankenfolgen überlegen, in denen auch das Auftauchen der Straße Sinn macht. Dadurch kommt es meiner Erfahrung nach oft zu erzwungenen Kettenbildungen von Ideen, in denen an einer Stelle schon etwas abgehandelt wird, was man an sich für eine andere Stelle plante, und dadurch kann man dann auf den anderen Drehort verzichten. Generell wird beim Drehen ein Wechselspiel von Ideenausweitung und Ideenverzicht stattfinden - das Problem dieses Films scheint vor allen ein Verzichten auf viele Ideen zu sein, mehr noch als bei einem "normalen" Film. Und natürlich ist klar, daß man bei diesem Projekt nur improvisierend einen Finanzplan wird einhalten können: der Film ist eben abgedreht, wenn das Geld alle ist - man muß eben so drehen, daß dann das Wesentliche als Bild schon existiert.


Dann käme die schwerste Aufgabe, die eigentliche Aufgabe, die über die Qualität des Films erst wirklich entscheiden wird: all diese Schichten so miteinander zu verbinden, daß ein wirklicher Film entsteht. Das muß natürlich am Schneidetisch geschehen, und jedem, der etwas von Film versteht, wird klar sein, daß die Schnittzeit erheblich sein wird. Am Offenen Universum habe ich fast ein Jahr geschnitten, und ich denke, daß auch die Schnittarbeit an diesem Film mindestens ein halbes Jahr dauert.

 

Als Gesamteindruck stelle ich mir vor, daß der Film sehr ruhig und konventionell beginnt, dann ereignen sich gelegentliche Einschübe, dann gibt es vielleicht einen hysterischen Moment, dann kehrt wieder Konventionalität und Ruhe ein, und diese Figur wiederholt sich, nur daß die hysterischen Einschübe immer komplexer werden und gegen Ende hin die ganze Welt umfassen, von der die eigentliche Erzählung nur noch ein Teil ist, um sich dann gegen Ende hin wieder zu beruhigen. Ich werde versuchen, so zu drehen, daß diese Gesamtgestalt möglich werden wird.

 

Diese Konzeption ist eher musikalisch. Ihr wird auch die endgültige Textrevison unterliegen. Ich nehme an, daß ich an manchen Stellen den Text dann ganz weglassen werde, um nur mit Ton und Bildern zu arbeiten und zusätzlicher Musik, dann wieder wird der Text hervorkommen, und dann wieder, besonders in der dritten Ebene, wenn Bezüge zur Gegenwart hergestellt werden, könnte noch ein zweiter Text hinzukommen, der dem Urtext übergeordnet Perspektive gibt. All das wird sich aus der Kraft und der Logik des gedrehten Materials ergeben, und natürlich aus der geleisteten Arbeit an dem Stoff, die aus sich heraus einen Ausdruck schaffen möchte, der ihr entspricht, und der die wahre Botschaft des Films enthalten wird: was ist das, was in mir diesen Text hat verfilmen wollen? Was ist mit ihm geschehen, als ich es tatsächlich gemacht habe? In was will es sich verwandeln?

 


 


Zur Produktionsstruktur:

 

Der Film soll im Sommer 1993 gedreht werden.

Die Dreharbeiten gliedern sich im Prinzip in zwei Teile:

 

1. die "realistische" Ebene, die mit einem normalen Team zügig hergestellt werden soll. Der Drehort dafür soll aus mehreren Orten rund um Terracina in Mittelitalien in Sichtweite des Circeo, des Bergs der Circe, zusammengesetzt sein. Dieser Teil des Films wird in der Kalkulation "1. Teil" genannt.


2. Die zusätzlichen Bildebenen, die, sofern sie nicht direkt inszeniert sind, ein geduldigeres Sammeln von Bildern verlangt. Dafür muß Bildmaterial in Rom, Palestrina, Tivoli, Athen und Köln gesammelt werden. Dieses Sammeln soll nach den eigentlichen Dreharbeiten stattfinden und wird etwa drei Monate dauern. Es wird in der Kalkulation "2. Teil" genannt.

 

Bei meinem vorletzten Film DAS OFFENE UNIVERSUM gab es eine ähnliche Zweiteilung der Dreharbeiten. Bei der vorliegenden Kalkulation habe ich mich an die Erfahrungswerte dieser Produktion gehalten und bin nur in den Bereichen Ausstattungen, Diäten und Drehgenehmigungen wesentlich davon abgewichen.



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